Der Begriff palliativ lässt sich auf pallium (lat. Umhang, Mantel)/ palliare (lat. bedecken, tarnen, lindern) zurückführen. Palliative Care/ Palliativmedizin stellt den kranken Menschen als einzigartiges Individuum mit seinen Bedürfnissen, Potenzialen, Wünschen, Nöten, biografischen Besonderheiten und sozialen Bezügen in den Mittelpunkt der therapeutischen Begleitung.

Palliativversorgung ist ein Ansatz, der die Lebensqualität von Patienten und deren Familien verbessert, die mit den Problemen im Zusammenhang einer lebensbedrohenden Erkrankung konfrontiert sind, dies mittels Prävention und Linderung von Leiden durch frühzeitiges Erkennen und umfassende Erfassung sowie durch die Behandlung von Schmerz und anderen Problemen auf körperlichen, psychosozialen und spirituellen Ebenen.

WHO, 2002

„Palliativpsychologie ist ein Teilgebiet der Psychologie, das sich auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse mit sämtlichen psychologischen Aspekten in einer palliativen Situation beschäftigt. Sie beinhaltet vielfältige Aufgaben. Ein wesentlicher Bereich ist die psychologische Unterstützung und Beratung der Patienten sowie deren Angehörigen/Nahestehenden. Im Zentrum stehen das Lindern belastender Symptome und die Stärkung und Förderung von Lebensqualität, Ressourcen, Würde und Lebenssinn. Mit ihrer Expertise für psychische Prozesse und Kommunikation unterstützen Palliativpsychologen das multiprofessionelle Team.“ (S.1, DGP – Sektion Psychologie, 2016)

We have to learn how to feel ‘with’ patients without feeling ‘like’ them if we are to give the kind of listening and steady support that they need to find their own way through.

Cicely SaUnders

Menschen mit einer lebenslimitierenden Erkrankung sind häufig vielfältigen Symptomen und Belastungen ausgesetzt. Zu den häufigsten körperliche Beschwerden zählen Schmerzen, Schwäche, Müdigkeit, Mobilitätsverlust, Atemnot, Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Erbrechen. Bei den meisten Patient:innen treten im Verlauf der letzten Lebensphase Gefühle von Trauer, Angst, Unsicherheit, Einsamkeit, Verzweiflung oder Niedergeschlagenheit auf (Block, 2006). Auch Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Scham- und Schuldgefühle, Demoralisation, Überforderungserleben, Autonomieverlust, Verbitterung, Sinnverlust, Hilf- und Hoffnungslosigkeit, kognitive Einschränkungen, Würdeverlust oder Todeswünsche sind häufig anzutreffende Phänomene. Manchmal sind es auch innerfamiliäre Konflikte, soziale Probleme, die Sorge anderen zur Last zu fallen oder die Befürchtung alleine sterben zu müssen, die als leidvoll erlebt werden.

Auch für An- und Zugehörige stellt die Begleitung, und häufig auch die pflegerische Versorgung, eines schwerkranken Menschen eine große Herausforderung dar. Durch Rollenveränderungen, bedrohte Zukunftsplanung, Ungewissheit in Bezug auf den Krankheitsverlauf, Vernachlässigung eigener Bedürfnisse, Angst vor dem Verlust des geliebten Menschen, Überforderungs- und Hilflosigkeitserleben und vielen anderen Faktoren kann das psychische und körperliche Wohlbefinden sehr stark beeinträchtigt sein.

Die auftretenden psychischen Phänomene können in aller Regel als situationsangemessene und nachvollziehbare Reaktionen auf das Erleben und Miterleben der fortschreitenden Erkrankung und der Konfrontation mit dem Sterben verstanden werden. Gleichzeitig beobachtet man vor allem bei Angehörigen eine Chronifizierung der Belastungssymptome mit dem Risiko der Entwicklung diagnostizierbarer psychischer Störungen.

Wenn wir beabsichtigen, einen Menschen zu einer bestimmten Stelle hinzuführen, müssen wir uns zunächst bemühen, ihn dort anzutreffen, wo er sich befindet, und dort anfangen. Wenn ich wirklich einem anderen helfen will, muss ich mehr verstehen als er, aber zuallererst muss ich begreifen, was er verstanden hat … Jede wahre Kunst der Hilfe muss mit einer Erniedrigung anfangen.

Sören Kierkegaard

Palliativpsychologische Begleitung ist Teil des multiprofessionellen bio-psycho-sozio-spirituellen Behandlungsansatzes in Palliative Care. Sie ist geprägt durch eine bedürfnis‐ und ressourcenorientierte Herangehensweise. Dabei geht es weniger darum, psychische Störungen zu diagnostizieren oder psychotherapeutisch zu behandeln, sondern vielmehr darum, Patient:innen und ihre Angehörigen in wertschätzender und respektvoller Weise bei der Bewältigung ihrer ganz persönlichen Herausforderungen am Lebensende achtsam und empathisch zu unterstützen. Dies kann durch individuell gestaltete Kontakte und der Nutzung hilfreicher palliativpsychologischer Interventionen auf einer Palliativstation, in einem Hospiz oder auch zu Hause geschehen. Dabei stehen die Themen, Fragen und Anliegen im Mittelpunkt, die das Erleben der Patient:innen oder deren Angehörigen gerade am meisten beschäftigen. Diese Art der professionellen Unterstützung kann Betroffenen dabei helfen einen neuen Umgang mit ihrer Lebenssituation zu finden. Es kann möglich werden für das Unaussprechliche Worte zu finden und dadurch auch mit nahestehenden Menschen darüber ins Gespräch zu kommen. Durch achtsamkeitsbasierte oder hypnotherapeutische Verfahren können selbstwirksame Bewältigungsstrategien gefördert und bei belastenden körperlichen und psychischen Symptomen Linderung bewirkt werden. Und manchmal kann es auch entlastend sein, wenn jemand einfach nur da ist und die schwere Situation mit aushält – ohne etwas lösen, verbessern oder verändern zu wollen.

Wir haben Angst vor dem Tod, wir haben Angst vor der Trennung, wir haben Angst vor dem Nichts. Wenn wir aber tief schauen, erkennen wir den unaufhörlichen Wandel der Dinge und verlieren allmählich unsere Angst.

Thich Nhat Hanh